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Mit Herz und Wissen

EINE GROSSE, SEHR HELLE, sehr saubere Produktionshalle. Der oft im Maschinenbau anzutreffende Geruch nach warmem Metall, er fehlt hier völlig. Vorne links an einem großen Bearbeitungszentrum stehen zwei junge Männer in den obligatorischen grauen WALTER-Shirts, schauen in den Maschineninnenraum und diskutieren miteinander. Hinten rechts startet ein etwas älterer Mitarbeiter den Prüfzyklus an einer Messmaschine.

Die mechanische Fertigung ist das Herz des tschechischen Standorts Kuřim. Hier werden Hochpräzisionsteile für Schleif-, Erodier- und Messmaschinen produziert. Die Maschine, an der Maschinenbediener Jiří Zeman und Techniker David Eliášek gerade intensiv die Bearbeitung eines Neuteils diskutieren, ist eines von zwei neuen Universal-5-Achs-Bearbeitungszentren. 

Über 200 Werkzeuge – vom Bohrer über den Fräser bis zum selbst entwickelten Finishing Tool – befinden sich im automatischen Werkzeugwechsler jeder der Maschinen. „Die Fertigung eines Y-Schlittens dauert damit einige Stunden, und fast 50 der Werkzeuge kommen dabei zum Einsatz“, erklärt Petr Konečný, Leiter der mechanischen Fertigung. Von hier geht der Schlitten dann rüber an die Messstation, wo er auf eine Präzision im Bereich von Tausendstelmillimetern geprüft wird. Anschließend wird er in der Fließmontage in eine WALTER HELITRONIC POWER 400 eingebaut.

Schlüsselbegriff: Leidenschaft

Über eine Landstraße von Brno, der erstmals vor 1000 Jahren erwähnten, heute zweitgrößten Stadt Tschechiens, erreicht man das Industriezentrum Kuřim. Werk reiht sich hier an Werk. Gleich rechts am Ortseingang liegen die Gebäude von Walter s.r.o. Kuřim ist einer von weltweit drei Fertigungs- und Montagestandorten der UNITED GRINDING Group. Die weiteren sind Thun in der Schweiz und Shanghai in China. „In zwei dieser Standorte investieren wir gerade“, erklärt Erich Schmid, Director Strategic Projects bei der Unternehmensgruppe. Gelebte Unternehmenswerte wie Präzision und Leidenschaft sorgen dafür, dass die Unternehmensgruppe kontinuierlich in neue Technologien und Lösungen investiert. Oder, wie Schmid es sagt: „Wir arbeiten mit viel Wissen – und mit Herz.“

Begeisterung ist auch für CEO Stephan Nell der Schlüsselbegriff für alles unternehmerische Handeln der Gruppe: „Die Weiterentwicklung bereits erfolgreicher Maschinen oder die Optimierung vielfach eingesetzter Anwendungen wären ohne diese Begeisterung nicht entstanden.“ Wie wichtig die Definition eines Unternehmens über Werte ist, bestätigt auch Experte Niels Alzen. Der Executive Director der Beratungsfirma BrightHouse, einer Tochteragentur der Boston Consulting Group, sagt: „Was Unternehmen für ihre Zukunftsgestaltung und Wettbewerbsfähigkeit wirklich brauchen, sind Motivation und Sinnhaftigkeit.“ Purpose, nennt er diesen notwendigen Überbau.

« Wer Hochpräzisionsmaschinen auf neuestem technischen Standard anbieten will, muss investieren, auch wenn gerade Stagnation herrscht »
Erich Schmid, Director Strategic Projects UNITED GRINDING Group

Zusätzliche Kapazitäten

Die neu angeschafften Bearbeitungszentren dienen in Kuřim vor allem zur Erhöhung der Flexibilität. „Wenn ein Bearbeitungszentrum umgerüstet oder gewartet wird, läuft das andere weiter“, erklärt Milan Urban. Als Leiter des Supply Chain Managements ist er für die interne Versorgung der Montage mit Teilen zuständig. Im Moment beliefert die mechanische Fertigung nur die eigene Produktion von Schleif-, Erodier- und Messmaschinen von WALTER und EWAG. Perspektivisch sollen auch Teile für die Maschinen der anderen Marken der UNITED GRINDING Group hergestellt werden.

Außerdem dienen die neuen Maschinen in Kuřim zur Bearbeitung von Neuteilen und Prototypen. „Da machen die neuen Maschinen deutlich kürzere Reaktionszeiten möglich“, so Urban. Und es sollen einige Bauteile wie Werkstückträger, die bisher noch von Zulieferern stammen, künftig in die Inhouse-Produktion geholt werden. „So erhalten wir eine 100-prozentige Qualitätskontrolle über die Teile“, erläutert der studierte Maschinenbauer Konečný.

Globaler Standard

Das gesamte Investitionsprogramm der Unternehmensgruppe dient dazu, die Fertigung an allen drei weltweiten Standorten auf einen einheitlichen Standard zu bringen. „Die Idee dahinter ist es, bei Nachfrageverschiebungen einen globalen Ausgleich der Kapazitäten vornehmen zu können“, erklärt Erich Schmid. Um diesen Ausgleich zu ermöglichen, wurden in der Produktion bei STUDER im schweizerischen Thun identische Bearbeitungszentren zu denen in Kuřim angeschafft.

Im globalen Fertigungsstättenkonzept der UNITED GRINDING Group sind alle Produktionsstandorte über ein gemeinsames Programmiersystem und einheitliche Datenbanken vernetzt. Der sogenannte zentrale CAX-Support der Unternehmensgruppe lenkt von Thun aus die CAD- und CAM-Programmierungen der Produktionsstätten. „Dadurch wissen wir, was die anderen tun“, erklärt Alexander Heiter, als Leiter der mechanischen Fertigung bei STUDER Konečnýs Kollege in der Schweiz. Das ermöglicht sowohl die Verschiebung der Produktion als auch ein länderübergreifendes Lernen voneinander.

Komplett vernetzt

Die Produktion in Kuřim ist vollständig vernetzt. Techniker David Eliášek und sein Team entwickeln die Programmierung für die Bearbeitung von neuen Teilen im CAD/CAM-System. Obwohl er erst 38 Jahre alt ist, arbeitet der Teamleiter seit 20 Jahren im Maschinenbau, vier davon bei Walter s.r.o. „Bei der Bearbeitung von Neuteilen sind wir regelmäßig hier auf dem Shop Floor und analysieren zusammen mit den Maschinenbedienern, wo die Programmierung noch optimiert werden kann“, erläutert er.

Der Industriestandort Kuřim und die nahe gelegene Universitätsstadt Brno mit ihren technischen Fakultäten sind das ideale Umfeld für einen anspruchsvollen Maschinenbauer wie die UNITED GRINDING Group. „Hier finden wir sehr gut ausgebildete Mitarbeiter“, erklärt Milan Urban, „und das ist genauso wichtig wie hochpräzise High-End-Maschinen.“

Aus der mechanischen Fertigung in Kuřim gehen die Teile entweder direkt in die Montage oder, bis sie gebraucht werden, in ein Storage-System mit automatisierter Lagerverwaltung. In einem ebenfalls automatisierten Hochregallager in einer Nachbarhalle werden Kleinteile für die Montage vorrätig gehalten. Logistikerin Petra Kupková und ihre Kollegen machen sie nach Bedarf für die interne Belieferung fertig. In ihren 16 Jahren bei Walter s.r.o. hat Petra Kupková alle Schritte der fortschreitenden Automatisierung des Lagers miterlebt. Nun werden alle Logistiksysteme in Kuřim – die Beschaffungs-, Produktions-, Lager- und Distributionslogistik – in einem übergreifenden Projekt optimiert und zusammengeführt. 

„Unsere nächste Investition wird dann ein Extended Warehouse Management System sein“, erläutert Supply-Chain-Spezialist Urban. Dieses bildet die Gesamtheit aller Warenströme übergreifend ab. Und es hilft, Durchlaufzeiten weiter zu verkürzen und die Liefertreue gegenüber den Kunden noch zu steigern.

« In einem atemberaubenden Tempo wandelt sich China von der Lowtech- zur Hightech-Fertigung »
David Wen, Fertigungsleiter UNITED GRINDING China
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