Onlinebeitrag

Die Maschine wie ein Smartphone bedienen

FLINK GLEITEN DIE FINGER über das Bedienpanel der Schleifmaschine, rufen die Jobliste auf und aktivieren im nächsten Bildschirm das gewünschte Bearbeitungsprogramm. Es folgt – mit dem einzigen physischen Tastendruck des Vorgangs – der Programmstart. Und sofort erscheinen übersichtlich auf diversen Kacheln die Parameter des aktuellen Produktionszyklus, von der Spindellastanzeige bis zur Achsgeschwindigkeit. 

Das neuartige Multitouch-Panel ist das sichtbare Element des C.O.R.E.-Programms der UNITED GRINDING Group. C.O.R.E. bezeichnet nicht nur – nach dem englischen „core“ – den Kern der Maschine. Es ist auch ein Akronym für Customer Oriented REvolution. Oder, wie es Marcus Köhnlein, Head of Digital Business, formuliert: „C.O.R.E. ist die Zukunft der Software.“ Alles klar? Nein? Dann beginnen wir am Anfang.

Projektstart 2015

„C.O.R.E. geht auf das Jahr 2015 zurück“, erzählt Christoph Plüss. Der Chief Technology Officer ist die treibende Kraft hinter dem Projekt. Als Industrie 4.0 immer größeren Raum in der öffentlichen Diskussion einnahm, stellte sich die Frage, wie die Unternehmensgruppe damit umgehen will. „Das war zunächst einfach zu beantworten: auf jeden Fall gemeinsam.“ Und so entstand nach dem 2013 etablierten einheitlichen Maschinendesign die Idee eines gruppenübergreifenden Betriebssystems.

Mit acht Unternehmensmarken aus zwei Ländern und drei verschiedenen Technologie-Gruppen gemeinsam ein Maschinenbetriebssystem zu entwickeln war ein komplexer Prozess, der die Unternehmensgruppe über mehrere Jahre beschäftigte. Bevor das Corona-Jahr 2020 die Entwicklung ausbremste, war 2019 in den marken- und länderübergreifenden Teams sehr intensiv nach der agilen Scrum-Methode an C.O.R.E. gearbeitet worden. „Ein wesentlicher Teil des Etats für Forschung und Entwicklung floss in dem Jahr in das Projekt“, erklärt Plüss.

Verteilt auf viele Schultern

Das Teamwork zwischen den Marken war dabei nicht nur eine Herausforderung, sondern zugleich eine Chance. „Heutzutage ist es kaum mehr möglich, dass ein Unternehmen alleine eine Software entwickelt – außer bei Großkonzernen“, betont Stefan Aebi, Leiter der Software-Entwicklung bei EWAG und der Scrum-Master des Projekts. „Mit C.O.R.E. verteilen wir diese Aufgabe auf alle Marken, und alle profitieren davon.“ Und nachdem auf der EMO 2019 in Hannover erstmals Maschinen vorgestellt worden waren, die über die umati-Schnittstelle Daten an einen zentralen Data Hub lieferten – eine Vorstufe zu C.O.R.E. –, werden nun auf der Neuauflage der Metallbearbeitungsmesse 2021 in Mailand die ersten Next-Generation-Maschinen mit C.O.R.E. präsentiert. 

Äußerlich erkennbar sind diese Maschinen an einem C.O.R.E.-Sticker und an dem neuartigen Bedienpanel. Das in der Diagonale 24 Zoll messende Full-HD-Multitouch-Display ist nicht nur äußeres Zeichen, sondern selbst eine große Innovation.

„Viel mehr als eine klassische Bedieneinheit ist das eine intelligente, übersichtliche Kommandozentrale für den jeweiligen Bediener“, erklärt der Hardwareverantwortliche Christian Josi. „Damit machen wir uns bereit für die Digital Natives“, betont Marcus Köhnlein. Der intuitive Aufbau der Elemente und die fast ausschließliche Bedienung über Touch stelle eine völlig neue Art dar, die Maschinen zu steuern. „Das Bedienerlebnis ist State of the Art, ich kann die Maschine praktisch wie ein Smartphone bedienen“, ergänzt Christoph Plüss. Der CTO sieht darin auch eine notwendige Investition in die Zukunft: „Die nächste Generation der Maschinenbediener, das sind unsere Kinder.“ Und die wachsen nun mal mit smarten Geräten auf.

« MIT C.O.R.E. WERDEN SOFTWAREENTWICKLUNGSKAPAZITÄTEN GEBÜNDELT. SO ERHÖHT SICH DIE ENTWICKLUNGSGESCHWINDIGKEIT »
Daniel Leuenberger, Hauptabteilungsleiter Product Engineering Hardware/Software STUDER

Nachhaltig erweiterbar

Die Orientierung am Erlebnis des Bedieners stand bei der Entwicklung stets an oberster Stelle. Feedbacks dazu kamen von Kunden und den eigenen Anwendungstechnikern. „Die User Experience war von Anfang an zentral, alles wurde ihr untergeordnet“, erklärt Michael Schwitter, Applikationstechniker bei STUDER und Projektarchitekt von C.O.R.E. Neben dem Bedienelement ist ein leistungsfähiger Industrie-PC der andere Hardwarebestandteil. Diese lokale digitale Plattform erweitert die klassische IT (Information Technology) zur OT (Operational Technology) und stellt eine sichere Verbindung vom Netz des Kunden zum Innenleben der Maschine her.

Im Hintergrund der reinen Bediensoftware läuft auf dem PC eine sogenannte Middleware, die die Verbindung zu den Bestandsapplikationen herstellt, die noch im Hintergrund arbeiten. „In den weiteren Releases werden wir diese dann zwischen allen Marken vereinheitlichen“, so Köhnlein. Und ganz unten in der Softwarearchitektur laufen die einzelnen Maschinensteuerungen, je nach Marke von Siemens oder Fanuc.

Dieser stufenweise Aufbau ermöglichte nicht nur einen Release zu diesem Zeitpunkt. „Ein großer Vorteil ist auch die flexible und nachhaltige Erweiterbarkeit. So werden laufend neue Features dazukommen“, erklärt Christian Josi, Head of Digital Engineering der UNITED GRINDING Group.

Hinterlegte Rollen

In der Bediensoftware sind Benutzerrollen hinterlegt, nach denen das Panel individuell konfiguriert wird: Maschinenbediener, Einrichter, Instandhalter, Servicetechniker. Der Maschinenbediener beispielsweise sieht dann nur die Bearbeitungs-, der Instandhalter die Diagnoseprogramme. So wird für den Einzelnen die Komplexität reduziert, das Handling vereinfacht und damit die Fehleranfälligkeit gesenkt.

Neben dem neuen Bedienerlebnis eröffnet C.O.R.E. viele weitere Vorteile. Die Anlernaufwände sinken – wer eine Maschine der UNITED GRINDING Group bedienen kann, kann auch alle anderen bedienen. Das hilft sogar, dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Gleiches gilt für den Applikationsservice. „Braucht der Kunde Unterstützung in der Softwarewartung, spielt die Marke keine Rolle mehr“, fasst Joel Amstutz, Software-Entwickler bei MÄGERLE, zusammen.

Außerdem hilft die einheitliche Hardware, die Zahl der benötigten Ersatzteile zu reduzieren. Und auch aufseiten der UNITED GRINDING Group lassen sich zahlreiche Vorteile realisieren: „Wir haben hier ein einfacher pflegbares System“, erklärt Marcus Köhnlein, „und können in der Entwicklung schneller auf Kundenbedürfnisse eingehen.“

Alle C.O.R.E.-Maschinen sind mit umati-Schnittstellen ausgerüstet. Diese bessere Connectivity – auch mit Drittmaschinen – eröffnet wiederum eine Fülle von Optimierungsmöglichkeiten durch mehr Effizienz im Prozess und mehr Transparenz in der Produktion. Auch eine umfassende Predictive Maintenance wird möglich. So können geplante Wartungen und Reparaturen durchgeführt werden, bei denen die Ersatzteile dann schon vorliegen und man nicht lange darauf warten muss.

Und natürlich lassen sich auch die Lösungen von UNITED GRINDING Digital Solutions™ einfach integrieren, etwa der Production Monitor oder der Service Monitor.

« MIT C.O.R.E. KÖNNEN NEUE TRENDS IN DER DIGITALISIERUNG SCHNELLER UMGESETZT UND DEN KUNDEN ZUR VERFÜGUNG GESTELLT WERDEN »
Stefan Aebi, Leiter Software-Entwicklung EWAG

Jährlich neue Releases

Ab der EMO 2021 startet C.O.R.E. erst einmal mit Grundfunktionalitäten. „Damit schaffen wir eine Basis, auf der wir zukünftig aufsetzen werden“, erklärt Köhnlein die Vision von C.O.R.E. „Die Entwicklung geht laufend weiter, es gibt immer wieder neue Releases.“ Entwickelt werden diese auch auf der Basis von Kundenfeedbacks.

Geht es um die weiteren digitalen Möglichkeiten, die C.O.R.E. eröffnet, geraten CTO Christoph Plüss und Head of Digital Business Marcus Köhnlein ins Schwärmen. Da reichen die Möglichkeiten von einer kameragestützten Gesichtserkennung, die den Menschen an der Maschine identifiziert und automatisch seine Rolle am System einstellt, bis zur weiteren Unterstützung in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, dem sogenannten Human Machine Teaming. Künstliche Intelligenz in der Maschine könnte Features wie einen Virtual Assistant oder eine selbstoptimierende Maschine ermöglichen, bei der die Anlage selbst Bedienungs- und Wartungsunterstützung sowie Aufgaben der Prozesssteuerung übernimmt.

„Und die zentrale Schnittstelle zum Kunden könnte ein Customer-Portal werden“, skizziert Plüss. Darüber könnten nicht nur die Erfassung und die Pflege der Stammdaten der Maschinen erfolgen. Es könnte auch ein App-Store integriert werden, über den Kunden sich Updates oder Upgrades ohne Zeitverlust ganz einfach herunterladen können. Mit der nächsten Version von C.O.R.E. gibt’s das wohl noch nicht, aber es folgen ja noch mehrere Releases. „Unsere Reise“, betont der CTO, „hat gerade erst begonnen.“

Vorteile von C.O.R.E.

  • Nutzergerechte, intuitive und einheitliche Bedienung
  • Standardisierte Datenerfassung
  • Intelligente Verarbeitung von Daten
  • Durchgängige Nutzung moderner Softwarelösungen
  • Nutzung moderner IoT- und Datenanwendungen 
  • Problemloser Datenaustausch auch mit Drittsystemen 
  • Direkter Zugang zu UNITED GRINDING Digital Solutions™-Produkten
« MIT C.O.R.E. MACHEN WIR UNS BEREIT FÜR DIE DIGITAL NATIVES »
Marcus Köhnlein, Head of Digital Business UNITED GRINDING Group
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